Hiraizumi

Wie oft während dieser Reise wachten wir um 6 Uhr auf und konnten deshalb früh losziehen. Der Lokalzug brachte uns um halb acht in wenigen Minuten nach Hiraizumi. Die Sehenswürdigkeiten dort liegen nicht ganz in der Nähe des Bahnhofs — als gestresster Tourist würde man wohl mit dem Bus hin fahren. Da wir aber glücklicherweise nicht gestresst waren und die Tempel erst zwischen 8 und 9 Uhr öffneten, wanderten wir zuerst Richtung Chūson-ji, der riesigen, über 900 Jahre alten Tempelanlage. Unterwegs erklommen wir den 100 Meter hohen Kinkei-san. Der Hügel ist irgendwie heilig, aber sonst keine Sehenswürdigkeit.

Beim Chūson-ji angekommen, mieteten wir uns Audioguides in Stiftform, die uns Informationen über alle Tempelanlagen rund um Hiraizumi lieferten. Wenn man ein besseres Verständnis von Buddhismus hätte, würden einem die vielen Fachausdrücke in den gesprochenen Texten mehr sagen; interessant war es trotzdem. Chūson-ji bestand in seiner Blütezeit im 12./13. Jahrhundert aus über 40 Hallen und Pagoden und war das Zentrum des nach buddhistischen Grundsätzen geführten Staates, der damals aufgebaut wurde. Leider wurde der grösste Teil davon im 14. Jahrhundert durch einen Brand zerstört. Trotzdem gab es hier mehr als genug zu sehen; viele kleinere Gebäude wurden später wieder aufgebaut.

Die Hauptattraktionen überlebten die Jahrhunderte jedoch glücklicherweise unbeschadet: Einerseits die Haupthalle (Hondō), andererseits vor allem aber auch die goldene Halle Konjikidō, die als Mausoleum für die Fürsten der damaligen Zeit dient und die — wie der Name es sagt — praktisch komplett vergoldet ist. Leider durfte man dort nicht fotografieren, aber es war eindrücklich. Nach einigen Stunden hatten wir uns praktisch jeden Winkel der Anlage angeschaut und die meisten Erklärungen angehört.

So begaben wir uns auf den Wanderweg, der via Kanegadake zum Mōtsū-ji führte, der nächsten Tempelanlage. Erst im Nachhinein sahen wir, dass auf der Karte der Tourist Information ein Kleber "BEAR IN AREA" von Hand eingeklebt worden war. Irgendwie vermuteten wir es aber auch so, denn alle paar hundert Meter konnte man mit einem Holzhammer auf ein Schild schlagen, was wir auch taten. Trotzdem wurden wir durch ein grosses Tier überrascht. Es war zwar kein Bär, eher so eine Mischung zwischen Ziege und Hochlandrind… Da es nicht wegrannte, konnten wir ein paar Fotos machen und wissen jetzt dank Daniela und Mai auch, was es war: Ein Japanischer Serau, eine Art Steinbock, die es nur in Japan gibt und die als Naturdenkmal geschützt ist.

Schliesslich erreichten wir den Mōtsū-ji Teien, der im Wesentlichen noch aus der Gartenanlage mit grossem Teich besteht. Die Original-Gebäude wurden alle zerstört; die Haupthalle 1989 im ursprünglichen Stil wieder aufgebaut. Wir schlenderten einmal rings um den Teich, genossen im Teehaus ein Matcha mit Mochi und marschierten zurück zum Bahnhof. Dort mieteten wir Velos, um unser letztes Ziel, die halb in einen Felsen gebaute Takkoku no Iwaya Bishamondō Halle zu erreichen. Zum ersten Mal bekamen wir "richtige" Velos mit vielen Gängen, grossen Rädern und ausreichend hohem Sattel. Für den Vermieter waren dies "Mountain Bikes" — bei uns gingen sie knapp als Stadtvelo durch. Egal; die gut 6 km zu dem Tempel liessen sich angenehm radeln.

Auch der Takkoku no Iwaya war den Besuch absolut wert, obwohl der aktuelle Tempel aus dem Jahre 1961 stammt und man nicht weiss, wie er ursprünglich einmal ausgesehen hat. Die Konstruktion ist eindrücklich und die Umgebung mit einem Teich, in dem sich die Gebäude und Felsen spiegelten, war einfach nur schön.

Auf dem Weg zurück fuhren wir einen kleinen Umweg zu einer Autobahnraststätte, wo wir den einzigen Cache in der weiteren Umgebung finden konnten. Unseren Aufenthalt in Hiraizumi schlossen wir mit dem (letzten in diesen Ferien) Besuch des Onsens ab — schliesslich hatten wir uns wieder den ganzen Tag bewegt und unsere Glieder brauchten etwas Auffrischung sowie zehnminütiges Durchkneten auf einem Massagestuhl.

Kein Glück hatten wir mit dem Finden eines geöffneten Restaurants in Bahnhofsnähe. So fuhren wir mit dem 18:21 Zug zurück nach Ichinoseki. Wir wissen zwar nicht, wie die Dinge hiessen, die wir im Restaurant vis-à-vis des Bahnhofs bestellten, aber es war sehr lecker, mehr als genug und kostete nur etwa 25 CHF für uns beide.

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