Reise nach Ichinoseki

In der Nacht auf den 7. Oktober erreichten die Überreste des Taifuns 25 (Kong-rey) Hokkaido. Da er sich in der Zwischenzeit zu einem "normalen" Tiefdruckgebiet abgeschwächt hatte, war es nicht mehr stürmisch, aber es regnete doch noch intensiv. Das wäre im Normalfall wohl kein grösseres Problem gewesen, aber es hatte ja einen Monat zuvor das grosse Erdbeben und seither auch fast täglich grössere Nachbeben gegeben, wodurch die Erde aufgelockert worden war. Viel Regen auf lockere Erde bedeutet erhöhtes Risiko für Erdrutsche und instabile Bahngeleise.

Wir waren ja schon zweimal an der Stelle durchgefahren, die sehr nahe am Epizentrum der Beben lag und beide Male fuhr der Zug über eine längere Strecke sehr langsam, wodurch er 20 Minuten Verspätung erhielt. Der Regen war nun aber zu viel: Die Züge fielen auf der ganzen Strecke von Sapporo bis Hakodate bis am Nachmittag aus — gerüchteweise, weil zuerst die Bahnstrecke genau überprüft werden musste. Man hatte uns zwar schon im Hotel darüber informiert, dass die Züge nicht fahren würden, aber keine genaueren Angaben machen können. Deshalb nahmen wir trotzdem den 9 Uhr Bus runter zum Bahnhof Tōya. Dort teilte man uns mit, dass die Züge am Nachmittag ab 15:30 wieder fahren würden, dass man für den 15:30 Zug keine Plätze mehr reservieren könne, dass es aber im Shinkansen ab Shin-Hakodate noch Plätze habe. Ersatzbusse oder -züge gebe es keine und auch keine Lokalzüge, mit denen man vorher nach Hakodate fahren könne.

So blieb uns nichts anderes übrig, als im Bahnhof Tōya sechs Stunden zu warten. Pech gehabt, aber in Betracht ziehend, dass Japan in den letzten fünf Wochen von drei heftigen Taifunen und einem grossen Erdbeben getroffen worden war und uns dies nicht gross beeinträchtigte, war es definitiv nicht schlimm. Es gab eine relativ gemütliche Wartehalle mit Tischen, sodass wir die Zeit spielend, Foto aussortierend und hochladend sowie Reiseberichte schreibend verbringen konnten. Abwechselnd spazierten wir auch noch zur Küste und in einen Supermarkt, um etwas Bewegung zu haben und Essen zu organisieren.

Als der Zug schliesslich kam, waren die reservierten Wagen praktisch leer und die nicht-reservierten natürlich so überfüllt, dass wir im Eingangsbereich stehen mussten. Weshalb dies so war, konnten wir nicht wirklich verstehen, aber eine der Grundregeln in Japan ist: Setze dich nie ohne Reservation auf einen Platz in einem reservationspflichtigen Wagen. Die Fahrt dauerte 1½ Stunden, was stehend zwar nicht sehr bequem war, aber es ging.

Eigentlich hätten wir in Shin-Hakodate 26 Minuten Umsteigezeit haben sollen. Aber natürlich fuhr auch der 15:30 Zug mit 20 Minuten Verspätung ein. Während der Fahrt wurde diese Verspätung stetig ein wenig grösser, sodass wir nicht wussten, ob es mit dem Umsteigen auf den Shinkansen klappen würde — je nach Bahnhof kann zwischen den "normalen" Geleisen und der Shinkansen-Strecke eine beträchtliche Strecke liegen. Wir hatten aber auch in diesem Fall Glück: In Shin-Hakodate liegen die Gleise nebeneinander auf dem selben Perron. Zwar gäbe es eine Schranke mit Billetkontrolle dazwischen, aber dort wurden wir durchgewunken, sodass wir es auch mit unseren schweren Rucksäcken schafften, innerhalb der drei verbleibenden Minuten umzusteigen.

Unsere erste Shinkansen-Fahrt dieser Reise brachte uns nach Morioka; dort mussten wir umsteigen, aber auch wieder nur auf dem selben Perron. Um 20:20 kamen wir schliesslich in Ichinoseki an, wo wir ein Zimmer im Toyoko Inn ganz in der Nähe des Bahnhofs gebucht hatten. Da wir nicht sicher waren, ob wir überhaupt nach Ichinoseki kommen würden, hatten wir das Zimmer erst am Morgen und nur für eine Nacht reserviert, konnten die Buchung aber problemlos auf zwei Nächte verlängern.

In einem Soba-Restaurant vis à vis des Bahnhofs, das wohl eher selten ausländische Gäste hat (aus den verwunderten Blicken der anderen Gäste zu schliessen), konnten wir noch etwas essen. Müde, aber sehr froh, unser Ziel doch noch erreicht zu haben, fielen wir schliesslich ins Bett.

(In diesem Album hat es tatsächlich nur vier Bilder, es gab nicht viel zu fotografieren.)

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